Die Versicherer regulieren Schäden etwas langsamer als im Vergleich zu 2011. Doch nur in wenigen Fällen werden Gutachter eingesetzt. Darunter leiden vor allem die betroffenen Kunden. Wer sich bei seinem Versicherer berufsunfähig meldet, muss etwa 180 Tage warten, bis sein Antrag auf Leistungen angenommen wird. Zumindest gilt dies durchschnittlich für die sieben Unternehmen, die sich einer Untersuchung der Ratingagentur Franke & Bornberg gestellt haben und die für etwa die Hälfte aller Leistungsfälle in der Branche stehen. Damit hat sich die durchschnittliche Dauer gegenüber dem Vorjahr zwar um rund zehn Tage beschleunigt, im Vergleich zum Jahr 2011 mussten Kunden aber knapp 30 Tage länger warten. Viele Versicherer bemühten sich darum, den Prozess schneller zu gestalten. Aber längst nicht auf alle Prozessschritte hätten sie Einfluss. Nach der Meldung des Kunden verschicken sie einen Fragebogen, um den Fall detailliert zu beleuchten. In 44 Prozent der Erstmeldungen warten Versicherer vergeblich darauf, dass auch der Bogen beantwortet wird. Auch auf beantwortete Bögen warten sie inzwischen länger als früher, was verschiedene Gründe hat – zum Beispiel die Reaktion auf ärztliche Schweigepflichtsentbindungen. Ein wichtiger Trend ist der immer höhere Anteil psychischer Erkrankungen. Diese sind medizinisch meist schwieriger zu beurteilen als körperliche Leiden. Doch die Verfügbarkeit ärztlicher Gutachter ist begrenzt.

„DIE DAUER BIS ZUR ANERKENNUNG IST DURCHSCHNITTLICH KÜRZER ALS BIS ZUR ABLEHNUNG.“

„Versicherer kommen in solchen Fällen ohne Gutachter oft nicht klar. Die Ressourcen von Fachärzten sind aber knapp“, sagt Michael Franke, Geschäftsführer von Franke & Bornberg. „Kunden empfinden das als Schikane, und es läuft dem Bestreben entgegen, die Regulierungsdauer zu senken.“ Aber die medizinischen Kenntnisse seien unverzichtbar, um einen Leistungsfall eindeutig beurteilen zu können. Einige Unternehmen bauten deshalb interne Teams auf, um diesen Engpass zu umgehen. Allerdings machen sie sich damit gegenüber Kunden nicht unbedingt glaubwürdiger, denn der Vorwurf, auf Gefälligkeitsgutachter zu setzen, erhält noch mehr Gewicht, wenn das medizinische Urteil von Angestellten des Versicherers gestellt wird. Insgesamt wurden in einer Stichprobe in 700 Fällen nur 77 Gutachter zu Rate gezogen. Das entspricht einer Quote von 10,8 Prozent. Über den gesamten Bestand geben die an der Untersuchung teilnehmenden Versicherer eine Quote von 6,6 Prozent an. Eine Konzentration auf wenige, den Unternehmen gewogene Gutachter war nicht festzustellen: Die 77 Gutachten wurden bei 55 verschiedenen Fachleuten in Auftrag gegeben. Auch einen anderen Vorwurf, der häufiger zu hören ist, entkräftete Franke. Es sei keineswegs festzustellen, dass Versicherer reflexhaft Leistungen verweigerten, um den Kunden zu zermürben und womöglich in einen langwierigen Gerichtsprozess zu verwickeln. „Die Dauer bis zur Anerkennung ist durchschnittlich kürzer als bis zur Ablehnung. Das lässt darauf schließen, dass sich Versicherer die Entscheidung nicht leichtmachen“, sagt er. Rund 75 Prozent der angemeldeten Fälle wurden angenommen, der Rest abgelehnt.

BERUFSUNFÄHIGKEITSVERSICHERUNG SINNVOLLSTES PRODUKT AM MARKT

Deutlich gefallen ist in den vergangenen Jahren der Anteil der abgelehnten Fälle, in denen der Versicherer von seinem Vertrag zurückgetreten ist oder ihn angefochten hat. Das geschieht dann, wenn der Kunde wissentlich falsche Angaben über seinen Gesundheitszustand macht. Lag die Quote hier noch 2009 und 2010 über 40 Prozent, ist sie nun auf 30 Prozent gefallen. Obwohl der Wert niedriger ist, bewerteten die Studienautoren die Lage als unbefriedigend. Vermittler wie Versicherungsmakler oder -vertreter und Kunden müssten sich klarmachen, dass sie den gewünschten Schutz nicht mit falschen Angaben erhalten könnten. Positiv bewertet Franke dagegen, dass Kunden immer stärker auf die Unterstützung unabhängiger Versicherungsberater setzten. „Sie sollten sich an diejenigen wenden, die eine medizinische Zusatzqualifikation haben. So können sie die Dauer verkürzen und die Erfolgsaussichten erhöhen“, sagt er. Rechtsanwälte dagegen könnten vom Interesse geleitet sein, den Fall vor Gericht zu bringen. Doch entgegen der manchmal zu hörenden Kritik, Versicherer ließen es auf ein Urteil ankommen, ist auch der Anteil der Prozesse vergleichsweise gering. In 3 Prozent der Fälle haben Kunden geklagt. Im Regelfall nehmen Richter die Entscheidungen der Versicherer nicht zurück. Nur in 9 Prozent der Fälle haben diese verloren, in 25 Prozent der Fälle gewannen sie. In rund zwei Drittel der Fälle einigten sich beide Seiten auf einen Vergleich. Man könne den Versicherern keinen Persilschein ausstellen, was ihre Regulierungsqualität angeht, resümiert Franke seine Untersuchung. Die Berufsunfähigkeitsversicherung erweise sich aber als das sinnvollste Produkt am Markt, um sich gegen das gesundheitsbedingte Ausscheiden aus dem Beruf abzusichern.

Quelle: F.A.Z. online